CO2-Speicherung in Böden

Attraktives Klimaschutz-Tool oder scheinheiliger Ablasshandel?

Die Böden der Welt stellen den größten terrestrischen Kohlenstoffspeicher dar und sind somit enorm wichtig, um CO2 aus der Atmosphäre zu binden. Die Wissenschaft und Politik beschäftigen sich mehr und mehr mit der Entwicklung nachhaltiger Lösungen zur Steigerung des Kohlenstoffabbaus. Doch wie sinnvoll ist es, Kohlenstoffzertifikate für landwirtschaftliche Praktiken als Kompensation für die Emissionen der fossilen Brennstoffe auszugeben? Und wie werden „nachhaltige Lösungen“ hier definiert? Die EU-Kommission hat angekündigt, dass sie einen Vorschlag zu Praktiken der Kohlenstoffbindung in Böden sowie zur Zertifizierung des Kohlenstoffabbaus vorschlagen wird. Worum es genau geht, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Die Landwirtschaft ist zugleich Täter und Opfer des Klimawandels. Die industrielle Ausrichtung befördert einerseits Emissionen von Treibhausgasen massiv. Gleichzeitig leiden Landwirt:innen darunter, wenn Dürre oder extremer Regen ihre Ernte zerstören, weil die Pflanzen sich nicht an solch rasant ändernde Wetterverhältnisse anpassen können und ein Großteil unserer Böden ausgelaugt ist. Die Emissionen in der Landwirtschaft kommen dabei nicht nur, wie oft diskutiert, aus der Tierhaltung, sondern auch aus der Produktion und Ausbringung von chemischen Düngemitteln. Die Trockenlegung von Mooren und Anmooren, Entwaldung und der Umbruch von Grünland sind Landnutzungsänderungen, welche ebenfalls viel Emissionen freisetzen.

Die Landwirtschaft als Teil der Lösung 

Dabei könnte eine nachhaltige Landwirtschaft auch CO2 in den Böden einsparen und Emissionen vermieden werden.

Durch die Wiedervernässung von Mooren können beispielsweise Emissionen vermieden werden, durch Humusaufbau und Agroforst kann Kohlenstoff gebunden werden. Der Schutz von Mooren hat dabei mit Abstand das größte Potential. Die EU entschied sich im Jahr 2020 mit dem EU-Klimagesetz, bis 2030 eine Menge von mindestens 310 Millionen Tonnen an CO2 in natürlichen Kohlenstoffspeichern (CO2-Senken) einzulagern.

Die EU-Kommission kündigte im Dezember diesen Jahres an, dass sie 2022 einen Vorschlag veröffentlichen wird, wie sogenanntes „Carbon Farming“, also die Einspeicherung von CO2 in den Ökosystemen, zertifiziert werden kann, damit Landwirt:innen pro Tonne CO2 dann auch eine Prämie verdienen, die dem Marktpreis für CO2 entspricht. Maßnahmen, die darunterfallen, wären beispielsweise der Humusaufbau, Agroforstwirtschaft, der Anbau von Zwischenfrüchten, wie Hülsenfrüchte, sowie der Schutz und die Wiederherstellung von Dauergrünland und Mooren.

Wie genau funktioniert
„Carbon Farming“?

Die EU-Kommission betrachtet Carbon Farming als ein Geschäftsmodell, mit dem Landwirt:innen an der CO2-Einspeicherung verdienen können. Diese sollen dann pro Tonne nachweislich eingespeicherten CO2 im Boden ein Zertifikat erhalten, welches sie gegen Geld an Unternehmen verkaufen können. Somit könnten wirtschaftliche Unternehmen den Klimaschutz finanzieren, so der Plan. Jegliche Unternehmen von Mineralölkonzernen über Banken bis Lebensmittelunternehmen würden dadurch in der Lage sein, sich als „klimaneutral“ zu betiteln, wenn sie ihre Emissionen in der Wertschöpfungskette durch zugekaufte Zertifikate (sprich Investitionen in CO2-Einspeicherung) kompensieren. Allerdings sind noch einige Punkte unklar: Zum Beispiel ist noch nicht geklärt, ob im Falle einer Umkehr der Einspeicherung demgegenüber sogar Geld gezahlt werden müsste, weil CO2 freigesetzt wird.


Klimaneutral
auf dem Papier

Anreize zu schaffen, die Landwirtschaft klimafreundlicher zu gestalten – das ist verlockend gut. Jedoch geht der Ansatz mit dem Handel von Zertifikaten in die falsche Richtung. Die Strategie, welche die Kommission verfolgt, zielt vor allem darauf ab, Zahlen und Rechnungen zu erfüllen, um sich auf dem Papier klimafreundlich präsentieren zu können. Wird die Einführung der Kohlenstoffzertifikate wie in dieser Form nicht richtig durchdacht, können diese problematische Auswirkungen haben.

I. CO2-Zertifikate als Freikaufschein

Die Finanzierung der Zertifikate durch private Investoren riskiert, dass Unternehmen sich „freikaufen“ können, anstatt ihre Emissionen weiter herunterzufahren. Die Kommission erklärt zwar, dass Carbon Farming kein Ausgleich für die Nutzung vermeidbarer Emissionen sei. Welche Emissionen allerdings vermeidbar sind in der Wirtschaft, definiert die Kommission nicht genauer. Wenn es hier keine strengen Regeln gibt, dann können Unternehmen, die massenweise klimaschädliche Produkte herstellen oder verkaufen, sich durch CO2-Zertifikate dennoch als „klimaneutral“ bezeichnen. Dieser Ablasshandel wäre nicht nur fatal für unsere Umwelt, sondern auch für die Transparenz und den Verbraucherschutz.

II. Keine Sicherung der Biodiversität

Zwar betont die Kommission, dass Carbon Farming auch Vorteile für die Biodiversität bringt. Man denke an intakte Moore, die als Biotop die Heimat unzähliger Arten sind, oder an die Vielfalt an Insekten und Vögeln auf dem Grünland. Allerdings ist in den Augen der Kommission die Biodiversität dem Klimaschutz untergeordnet. Vom Bodenleben und damit der Bodenfruchtbarkeit, die ein humushaltiger Boden mitbringt, ist gar nicht erst die Rede. Dabei ist der doppelte Nutzen klar: Mehr Humus gleich mehr Bodenfruchtbarkeit. Mehr Bodenfruchtbarkeit bedeutet weniger Düngereinsatz, was wiederum weniger schädliche Emissionen bedeutet. CO2-Zertifikate – so wie die Kommission sie momentan will – hingegen beachten diese Leistungen, die für die Landwirtschaft mindestens genauso wichtig sind, nicht.

Ein Beispiel für eine Praxis mit überschätzter Klimarelevanz, die durch die Carbon Farming Initiative gefördert werden könnte, ist Biochar. Biochar – also Pflanzenkohle – entsteht durch Pyrolyse von Biomasse in Abwesenheit von Sauerstoff und ist reich an Kohlenstoff. Die Idee für Carbon Farming besteht darin, dass man diese Pflanzenkohle in den Boden einbringen und damit den darin enthaltenen Kohlenstoff im Boden „binden“ könne. Aber Risiken und Nutzen hängen hier stark vom vorhandenen Agrarökosystem ab: Biochar kann sich positiv auf nährstoffarme tropische Böden auswirken, aber es gibt noch viele unsichere Variablen hinsichtlich der energetischen und ökologischen Gesamtbewertung. Beispielsweise benötigt die Herstellung von Biochar viel Energie und verursacht ebenfalls Emissionen, könnte sich in der Balance also schnell als ineffizient erweisen. Zudem können beim Herstellungsprozess von Biochar bodengefährdende Schadstoffe entstehen (z.B. Dioxine, Schwermetalle), welche sich negativ auf Bodengesundheit und biologische Vielfalt auswirken.  Der Nettoeffekt des Einsatzes von Biochar ist deshalb unter Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus höchst unsicher.

III. Große Fehlerpotenziale bei Zertifikaten

Die Messung des organischen Kohlenstoffgehaltes in Böden ist nicht wissenschaftlich einheitlich, der Aufbau von organischem Bodenkohlenstoff unsicher und langwierig. Das könnte dazu führen, dass bei der Erstellung der Zertifikate große Fehlerpotenziale bestehen. Diese CO2-Zertifikate könnten dann mehr Klimaschutz bescheinigen als eigentlich der Fall ist. Es ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass Kohlenstoff, der durch naturbasierte Maßnahmen im Boden aufgebaut wird, nicht in großen Mengen lange im Boden erhalten bleibt, bevor er wieder in die Atmosphäre gelangen kann. Klar ist, dass die Minderungspotentiale von Carbon Farming Maßnahmen noch nicht konkret eingeschätzt werden können und Schritte, wie der Abbau von Tierzahlen und der Verzicht auf chemisch-synthetische Mineraldünger beispielsweise, eine größere Klimarelevanz haben. Obwohl die Kommission diese Schwierigkeiten anerkennt, beschreibt sie den Vorschlag für die Zertifikatausstellung positiv.

Problematisch wäre es voraussichtlich auch, wenn es bei steigenden CO2-Preisen zu einem Wettlauf um Land käme. Dann hätten es Kleinstbauern immer schwieriger, bei steigenden Bodenpreisen noch zu wirtschaften.

Ein ganzheitlicher Ansatz

Alles in allem gibt es in der Tat die Chance, mit nachhaltiger Landwirtschaft etwas Gutes für das Klima zu tun. Allerdings darf Landwirtschaft nicht als Ablasshandel für Großkonzerne dienen und nicht abhängig von der privaten Finanzialisierung werden, die nur Investoren begünstigt. Solange die Finanzierung der C-Speicherung auf unsicheren Zertifikaten beruht, ist der Klimaschutz eher scheinheilig. Wesentlich sinnvoller ist es hingegen, nachhaltige Praktiken wie Moor- und Grünlandschutz holistisch anzugehen und staatlich zu fördern, zum Beispiel über Eco-Schemes in der die Gemeinsame Agrarpolitik.

Wenn wir sichere Emissionsreduktionen auch in der Landwirtschaft erreichen wollen, dann ist vor allem langfristig der Umstieg weg von chemischem Dünger absolut notwendig – dadurch ließen sich die Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft wesentlich schneller und sicherer verringern als mit Carbon Farming. Mit einer Reduktion des Tierbestandes, welcher an die Fläche gebunden wird, könnte zusätzlich die Tierhaltung wieder in Einklang mit Klima und Umwelt gebracht werden. Solch ein ganzheitlicher Ansatz stellt sich der auf CO2 reduzierten Perspektive entgegen, welche nur das Greenwashing befeuert. Gehen wir die Zukunft systemisch an, anstatt uns auf einzelne Zahlen zu versteifen. Diese einseitige Darstellung überschaut dabei, dass es beim Bodenmanagement auch um Kreislaufwirtschaft, Wasserspeicherung, Biodiversität, gesunde Ernährung, und vieles mehr geht.

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