Tierhaltung

Drei Fragen und Antworten zu den europäischen Ställen.

Wer im Duden den Begriff „Tierwohl“ nachschlägt, wird nicht weit kommen. Keine Ergebnisse schreibt die Website, man habe stattdessen „Tierkohle“ gesucht und hoffe, behilflich gewesen zu sein. Kann das sein? Ja, es gibt tatsächlich nicht einmal eine allgemein gültige Definition für den Begriff „Tierwohl“. Worum geht’s hier also und wofür setze ich mich ein?

I.
Was ist das Problem?

Um es kurz zu machen: Putenherden, die dicht gedrängt in lichtlosen Hallen leben. Trächtige Sauen, die sich in Kastenständen kaum umdrehen können. Hühner, die auch in Bodenhaltung nicht viel besser dran sind, und Rinder, die auf strohlosen Spaltenböden gemästet werden. Puten, deren Schnäbel gekürzt werden, damit sich die Tiere nicht gegenseitig verletzen können und Ferkel, denen der Ringelschwanz per Brenneisen entfernt wird, ohne Betäubung versteht sich. Kennen wir alles? Haben wir doch schon hundert Mal gehört? Richtig. Aber weil sich immer noch nicht genug geändert hat, kann man es ruhig noch einmal sagen: Wir müssen etwas dagegen unternehmen!

II.
Wofür stehe ich?

Auf den Weiden rund um das Stallgebäude grasen schwarze Aberdeen-Angusrinder, im Getreidefeld blüht der Mohn und Bienen surren in der Luft. Wie ihr wisst, bin ich nicht nur Abgeordnete und Köchin, sondern auch Bio-Landwirtin: Auf meinem Hof „Gut Kerkow“ in der Uckermark betreibe ich ganzheitliche Landwirtschaft und eine eigene Schlachterei. Zudem ist bin ich leidenschaftliche Bio-Imkerin.

Deshalb ist Tierhaltung – und vor allem Tierwohl – ein Thema, dass ich in meiner Arbeit als EU-Parlamentarierin nicht außen vor lassen kann und möchte: Denn Tiere sind oft das Herzstück traditioneller, landwirtschaftlicher Betriebe und nur durch Tierhaltung lassen Stoffkreisläufe weitgehend schließen. Egal ob in den Österreichischen Hochalpen oder in den Ostdeutschen Flachlandgebieten, Tier und Mensch lebten seit jeher miteinander und im ständigen Austausch. Mit dem Siegeszug der industriellen Landwirtschaft änderte sich dieses Miteinander jedoch zu einem ungerechten und ausbeuterischen Verhältnis.

Dieser bedenklichen Entwicklung stemme ich mich entschlossen entgegen: Mein Einsatz beginnt bei den Bienen und Insekten und geht über die klassische Nutztierhaltung, den Tiertransport und die Schlachtung bis hin zur Frage nach dem Konsum von pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln.

Eine Vielfalt an Themen muss also bedacht werden. Gerade deshalb ist es umso entscheidender, eine einheitliche Strategie zu finden und die Agrarwende zum nachhaltigen Ernährungssystem voranzutreiben. Damit am Ende des Tages auf 100% der europäischen Teller gesundes und nachhaltig produziertes Essen landet. Ob die Farm-To-Fork-Strategie hier das Blatt wenden kann?

III.
Was tut sich da konkret?

Ich bin Vize-Präsidentin der parlamentarischen Intergroup zu Tierwohl*. Dort und in meiner restlichen Arbeit setze ich mich außerdem für folgende Themen ein:

Erstens: Wesensgemäße Haltung

Höhere Tierhaltungsstandards stehen ganz oben auf meiner Prioritätenliste. Da tut sich auch etwas: Die Kommission hat einen Fitness-Check  der europäischen Tierwohlgesetzgebung durchgeführt, die teils sehr allgemein und veraltet ist. 2023 soll noch ein Entwurf für ein neues Tierschutzgesetzt veröffentlicht werden. Für mich ist ganz entscheidend, dass bei einer erneuerten Gesetzgebung etwa Puten mitbedacht werden. Im Moment gibt es in Europa nämlich keine Mindeststandards für die Haltung von Truthähnen. Das muss sich ändern.

Zweitens: Zurück zu funktionierenden Kreisläufen

Futtermittel vom eigenen Acker landen im Trog von Nutztieren, um dann als Gülle wieder auf den Acker ausgebracht werden, damit neue Pflanzen wachsen. So könnte ein idealer, landwirtschaftlicher Kreislauf aussehen und im Bio-Bereich zum Beispiel ist das auch Realität. Der Großteil der Tiere in Europa wird aber konventionell gehalten und da in intensiver Mast eine zu große Anzahl an Tieren auf zu kleiner Fläche lebt, entsteht auch mehr Gülle, was wiederrum eine große Belastung für Wasser und Boden darstellt. Deshalb kämpfe ich für eine flächengebundene Tierhaltung: Das bedeutet, dass nur eine bestimmte Anzahl an Kühen, Hühnern oder Schweinen pro Jahr und Hektar Nutzfläche gehalten werden darf. So wird sichergestellt, dass die landwirtschaftlichen Stoffkreisläufe wieder optimal funktionieren. Gleichzeitig ist eine wesensgemäße Haltung in weniger dicht gepackten Ställen leichter möglich.

Drittens: Weniger ist mehr

Klar ist auch, dass in solchen Kreisläufen weniger Fleisch produziert werden kann als in intensiver, konventioneller Tiermast. Die Wende muss also auch Hand in Hand mit einem Umdenken in unserer Ernährung gehen. Für mich gilt: In Maßen mit Herz und Hirn für gesunde Lebensmittel und bewussten Genuss. Weniger aber dafür qualitativ hochwertiges, am besten regionales Biofleisch soll für alle zugänglich sein.

Viertens: Transparenz ist nötig

Zwei Drittel aller europäischen Bürgerinnen und Bürger haben das Gefühl, nicht genug über die Lebensbedingungen von Nutztieren zu haben. Was einzelne Mitgliedsstaaten wie Deutschland schon auf den Weg bringen, brauchen wir auch auf EU-Ebene: ein verpflichtendes Tierwohllabel. Es muss einfach verständlich, gut kontrolliert und umfassend sein. Denn sonst ist es für Bürger*innen schwieriger, die Kaufentscheidungen zu treffen, die sie wollen.

 

* In einer parlamentarischen Intergroup finden sich Parlamentsmitglieder aus mehren Fraktionen zusammen und arbeiten an einem Thema, das sie verbindet.

Tiefer eintauchen – von Transparenz und Puten

Wir brauchen Transparenz beim Tierwohl – deswegen habe 2022 die Arbeitsgruppe zum Tierwohllabelling initiiert und geleitet. In einem Manifest zeigen wir klar auf, wie so ein Label aussehen kann und sollte. 

 

Der Truthahn ist das ärmste Schwein unter den Nutztieren – ich habe mich deswegen in einer Videoserie näher mit den Haltungsbedingungen beschäftigt. Auf meiner Video-Seite könnt ihr euch zwei der kurzen, knackigen Videos zur Pute ansehen!