Umwelt-Krimi vor der Sommerpause

Ein „Ja“ zur Natur – wie der konservative Kreuzzug gegen das Gesetz zur Rettung der Natur gescheitert ist.

Zittern bis zur letzten Sekunde: schaffen es die europäischen Konservativen im Schulterschluss mit der Rechten, ein Herzstück des Europäischen „Green Deals“ zu Fall zu bringen? Nein! Europas Abgeordnete haben sich am Ende für die Rettung der Natur entschieden. Damit stellen sie sich auf die Seite von über 6.000 Wissenschaftler*innen, dutzenden großen Unternehmen und unzähligen NGOs. Doch halt – fangen wir vorne an. 

Ziemlich genau vor einem Jahr hat die Kommission einen Vorschlag für das so genannte „Nature Restoration Law“ veröffentlicht. Im Kern geht es darum, angegriffene Ökosysteme zu sanieren und wiederherzustellen – mithilfe von Stadtbegrünung, Meeresschutz oder Wiedervernässung von Mooren. Europas Natur hat es bitter nötig: über 80 % der Habitate und 60 % der Arten in der EU sind in schlechtem Zustand. Dabei brauchen wir die Natur dringender denn je! Ohne sie gibt es keine Landwirtschaft, kein sauberes Wasser und keine Abkühlung in immer heißeren Sommern. Das ist wissenschaftlicher Konsens. Und auch auf der globalen Agenda: Ende 2022 haben etwa 200 Staaten ein wichtiges Abkommen zum Schutz der Biodiversität unterzeichnet – ganz vorne mit dabei: die EU.

Schmutzige Tricks
der EVP

Das Gesetz zur Wiederherstellung von Europas Natur ist also überfällig. Die Verhandlungen zur Rettung der Natur liefen über Monate – doch kurz vor der Abstimmung im Umweltausschuss hat sich die größte Fraktion im Parlament plötzlich quergestellt. Die Europäische Volkspartei (EVP) hat angekündigt, das Gesetz niederzustimmen, komme was wolle. Der Entwurf fiel in allen zuständigen Ausschüssen durch. Im Umweltausschuss musste die Fraktion zu schmutzigen Tricks greifen, um eine haarscharfe Mehrheit zu erreichen: rund ein Drittel ihrer Mitglieder im Umweltausschuss wurden durch fachfremde Abgeordnete ersetzt. Sie sind treu der Linie ihres Vorsitzendem gefolgt, dem CSU-Politiker Manfred Weber.

Die Spannung vor der Abstimmung war hoch: Wirtschaft, Wissenschaft und NGOs sprachen sich deutlich für das Gesetz aus. Auch die EU-Mitgliedsstaaten hatten schon ihr „Ja“ gegeben.

Doch zum Glück reicht es nicht, einfach ein paar Politiker*innen im Ausschuss auszutauschen, um Gesetze in der EU niederzuschmettern. Am Ende muss das Plenum entscheiden, also alle Abgeordneten zusammen.

So ist die EVP am Ende gescheitert – obwohl sie sich alle Mühe gegeben hat, Stimmung gegen das Gesetz zu machen und sich entgegen aller Fakten als große Retterin der Versorgungssicherheit zu stilisieren. Das Gesetz hat es durchs Parlament geschafft, mit 36 Stimmen Vorsprung und großem Jubel. Auch einige EVP-Abgeordnete sind ihrem Gewissen statt ihrem Vorsitzenden gefolgt.

Im harten Ringen um die Mehrheiten sind allerdings auch wichtige Bausteine aus der Parlaments-Version des Gesetzes geflogen.

Was hat sich geändert durch die Abstimmungen?

Positives

Das Parlament setzt sich dafür ein, mehr Flüsse frei fließen zu lassen und sie zu renaturieren.

Das schafft Biotope für Artenvielfalt, und die Aulandschaft fängt auch Überschwemmungen bis zu einem gewissen Grad ab.

Das Parlament fordert, die Bestäuberverluste (Bienen, Hummeln etc.) endlich zu stoppen.

Die Position ist deutlicher ambitionierter als die des Rates.

Negatives

Die Wiedervernässung von Mooren hat das Parlament aus seiner Position ersatzlos gestrichen

Dabei könnten wir so neue Kohlenstoffsenken schaffen und natürlichen Hochwasserschutz betreiben.

Der Artikel zu mehr Vielfalt auf landwirtschaftlichen Flächen wurde gestrichen.

Das Parlament setzt sich also nicht für mehr Blühstreifen für Insekten und Feldvögel ein.

Am wichtigsten ist jedoch, dass wir ein Bekenntnis zur Wiederherstellung der Natur errungen haben. Bei einem „Nein“ des Parlaments wäre das Gesetz irgendwo im Nichts verschwunden – sicherlich für die nächsten Jahre. Die EVP wollte das Gesetz zur Rettung der Natur niederschmettern. Wir haben sie gestoppt.

Auch für Moore und Landwirtschaft gibt es noch eine zweite Chance: Ab September werden Vertreter*innen von Parlament, Europäischem Rat und der Kommission intensiv über eine gemeinsame Version des Gesetzes verhandeln und einen Kompromiss zwischen der Version des Parlaments und der des Rates finden. Hoffentlich wird der Text dort noch verbessert.

Ihr seht also: Auf EU-Ebene Schlachten zu schlagen, kann zäh sein. Aber es lohnt sich am Ende. Denn wir brauchen jetzt wirksame Gesetze, um die Verluste von Artenvielfalt und die Klimakrise einzudämmen. Nun ist das Parlament aber erst einmal in der Sommerpause. Nach diesem wichtigen Erfolg in der letzten Abstimmungswoche heißt es Kräfte sammeln – in meinem Fall für die Verhandlungen zur Reduktion von Pestiziden, die nach dem Sommer in die heiße Phase gehen. Noch nie davon gehört? Dann schau doch mal hier, worum es geht.

Ähnliche Artikel

Ähnliche