Was jetzt, EFSA?
Neue Gentechnik auf dem Prüfstand
Doch nicht ungefährlich: Vor kaum drei Monaten hatte die Europäische Lebensmittelbehörde neue Gentechnik in einer Stellungnahme noch als defacto unbedenklich bezeichnet, jetzt räumt sie Risiken ein. Bei soviel Hin und Her kann man sich kaum noch auskennen. Umso besser, dass die Grüne Fraktion gerade einen Leitfaden veröffentlicht hat, der einen Anhaltspunkt in diesem Labyrinth bietet.
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, pardon: Genschere. Das finden zumindest Sarah und die europäischen Grünen und setzen sich deshalb für eine umfassende Risikobewertung von gentechnisch veränderten Organismen ein. Das gilt auch und gerade, wenn “nur” ein Gen verändert wurde, was von Konzernen oft als “natürlich” postuliert wird. Umso erfreulicher, dass auch die Meinung der EFSA, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit, nun plötzlich in eine grüne Richtung weist. Aber von Anfang an.
EFSA macht Kehrtwende
Bislang schien es, als bilde die EFSA ihre Meinung in Sachen Gentechnik nicht gerade auf Grundlage des Vorsorgeprinzips. Noch im November vergangenen Jahres hatte die EFSA neue Gentechnik als nicht gefährlicher als konventionelle Züchtung eingestuft.
Doch jetzt schlägt die Behörde andere Töne an: Auch wenn keine neue DNA eingesetzt würde, müssten gen-editierte Pflanzen genauen Risikoprüfungen unterzogen werden, schreibt sie nun. Wie kam es zu dem plötzlichen Sinneswandel? Um das Risiko der neuen Methode zu bestimmen, hat die EFSA gentechnisch veränderten Weizen analysiert. Dieser wurde mittels Gentechnik modifiziert, um glutenverträglicher zu sein. Dafür mussten die Wissenschaftler*innen gleich an mehreren Stellen in die DNA des Weizens eingreifen – und das ist kein natürlicher Vorgang, wie die EFSA jetzt schlussfolgert.
Zudem können die Veränderungen, die mittels neuer Gentechnik an Weizen vorgenommen werden, auch einen gegenteiligen Effekt haben als erwünscht. So können durch das Verfahren auch neue, unbekannte Glutenproteine entstehen, die Entzündungen hervorrufen können. In diesem Fall ist eine Risikobewertung also gemäß EU-Verordnung sogar dringend erforderlich.

Das lässt sich übrigens auch auf andere Nutzpflanzen übertragen. Denn diese weisen zumeist bestimmte, sich wiederholende DNA-Sequenzen auf. Eingriffe an mehreren Stellen der DNA sind also fast unvermeidbar, wenn bestimmte Eigenschaften verändert werden sollen.
Und jetzt?
Die Stellungnahme der EFSA kommt zu einer spannenden Zeit: Im April möchte die Kommission einen neuen Gesetzesvorschlag zu GVOs auf den Tisch legen und auf Grundlage der bisherigen Publikationen der EFSA war zu erwarten, dass es sich dabei um einen Ausschluss neuer Gentechnik aus der bisherigen Richtlinie handeln könnte. Ob die neue Meinung der EFSA hier noch den Ausschlag geben kann? Wir werden sehen.
Mythos vs Realität
Ihr habt inzwischen das Gefühl, beim Thema “Gentechnik” den DNA-Strang vor lauter modifizierten Genen nicht mehr sehen zu können? Kein Problem. Die Grüne Fraktion hat diese Woche den Bericht “Gene Editing – Myths and Reality” veröffentlicht, der Gerüchte rund um Gen-Editierung mit der Realität abgleicht. Hier erfahrt ihr zum Beispiel, warum diese im Labor ausgelösten Veränderungen nicht als “natürlich” bezeichnet werden sollten und welche Versprechen die Konzerne nicht einlösen konnten.
Ein Bericht für alle, die genug von den Märchen über die “Grüne Gentechnik” haben, für alle, die endlich die Wahrheit wissen wollen und für alle, denen die Diskussion längst zu technisch geworden ist. “Gene Editing– Myths and Reality” bietet einen soliden Überblick über den aktuellen Stand der Diskussion, der vor allem für Themen-Neulinge geeignet ist – schaut doch mal rein!
Gene Editing - Myths and Reality
Lest den vollständigen Bericht hier.
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