Unterirdisches Paradies in Gefahr

Bodenschutz auf EU-Ebene 

Wir ziehen uns buchstäblich selbst den Boden unter den Füßen weg. Jeden Tag gehen laut WWF allein in Österreich vier Fußballfelder fruchtbarer Boden verloren und das nicht nur durch Versiegelung: Auch unser Landwirtschaftssystem laugt die Ackerflächen zunehmend aus. Das muss sich jetzt ändern. Der ENVI-Ausschuss hat deshalb heute eine Resolution zum Bodenschutz verabschiedet. Ein erster Schritt in die richtige Richtung. Was als nächstes passiert und wieso ein gesunder Boden leben sollte, erfahrt ihr in diesem Blogbeitrag.

 

Wir brauchen grenzübergreifenden, gesetzlich bindenden Bodenschutz in der Europäischen Union – und zwar jetzt! So der Tenor eines Initiativberichts, über der heute im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) mehrheitlich angenommen wurde. Dieser Vorstoß des Ausschusses ist ganz im Sinne von Sarah und den europäschen Grünen und er kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt: Gerade arbeitet die Kommission im Rahmen der Biodiversitätsstrategie auch an einem Plan für den EU-weiten Bodenschutz. Langsam gerät hier also etwas ins Rollen. Doch zugleich wird Boden weltweit buchstäblich wie der letzte Dreck behandelt. Unglaublich, findet Sarah. Denn:

 

„Der Boden ist eigentlich  das letzte Paradies, das wir auf Erden haben“

– Sarah Wiener

Doch was macht eigentlich gesunden Boden aus, wieso ist er bedroht und wie können wir dieses “letzte Paradies auf Erde” schützen? Anlässlich der Entscheidungen im Umweltausschuss begibt sich dieser Blogbeitrag auf Reise in die Welt unter unseren Füßen. 

Achtung – gesunder Boden lebt!

Jeder, der ein Stück Erde besitze, sei eigentlich auch “Viehhalter”, witzeln Bodenwissenschaftler*innen ganz gerne. Tatsächlich ist Boden alles andere als toter Dreck. Gräbt man im Garten nur einen Teelöffel voll Erde aus, so leben darin mehr mikroskopisch kleine Lebewesen als Menschen auf der Erde. Auch der Boden besitzt also – ähnlich dem menschlichen Darm – ein Mikrobiom. Und ähnlich wie beim Menschen hängt seine Gesundheit stark von der Existenz dieser reichhaltigen Bakterienflora ab (mehr dazu hier).

Aber nicht nur Bakterien bevölkern den Boden: Auch von Pilzen, Fadenwürmern und Regenwürmern wimmelt es in der Erde regelrecht. Und alle diese Bodenbewohner haben eine wichtige Funktion. So gehen etwa Pflanzenwurzeln eine Symbiose mit Pilzen ein, um sich von ihnen mit Nährstoffen versorgen zu lassen. Fadenwürmer dienen als natürliche Schädlingsbekämpfer, Regenwürmer durchlüften den Boden und arbeiten organisches Material in die Erde ein. Ganz nebenbei sorgen die Bodenbewohner dabei für dessen Gesundheit: Durch ihre Aktivität entsteht lockere, krümelige Erde, die Niederschläge gut aufnehmen kann und einen idealen Nährboden für Pflanzen bietet.

Exkurs: Wie erkenne ich "gesunden Boden"?

Um die Schönheit des Bodens zu verstehen, lohnt es sich, einmal selbst ein bisschen darin zu wühlen. Wer mit einem Spaten ein kleines Loch im eigenen Garten oder auf einer benachbarten Wiese gräbt, kann schnell erkennen, wie es dort um die Bodengesundheit steht. Bakterien lassen sich mit bloßem Auge zwar schwer zählen, doch an der Farbe der Erde lässt sich zum Beispiel ein hoher Humusgehalt erkennen, wenn diese grau bzw dunkler ist. Weist sie dagegen eine blaue oder grüne Farbe auf, leidet der Boden sehr wahrscheinlich unter Sauerstoffmangel.

Ähnliches lässt sich auch mittels Geruchsprobe schließen: Modergerüche deuten hier auf Probleme hin. Zuletzt kann man auch einen Blick auf die Struktur des Bodens werfen. Ist er krümelig, locker und gut durchwurzelt? All das sind Anzeichen für einen gesunden Boden.

Um ganz sicher zu gehen, gibt es die Abwurfprobe. Dabei wird der volle Spaten auf Hüfthöhe ausgekippt, so dass die Erde auf einer festen Fläche landet. Bleibt sie dabei als Block liegen, deutet das auf einen stark verdichteten Boden hin, in dem es entsprechend wenig Bodenleben gibt. Gut erklärt wird das im folgenden Video.

Boden als kostbares Gut 

Über 90% unserer Lebensmittel kommen direkt oder indirekt aus dem Boden. Gesunde, fruchtbare Erde als Nährboden für Pflanzen ist also nicht nur “nice to have” sondern viel eher Überlebensfrage. Doch der Boden ist nicht nur Grundlage für unsere Ackerflächen, sondern erfüllt auch noch andere Funktionen. So kann er aufgrund seiner Struktur – gesunder Boden besteht zur Hälfte aus Wasser und Luft – Regen wie ein Schwamm aufsaugen und Überschwemmungen verhindern. Zudem können Böden große Mengen Kohlenstoff speichern und spielen so im Klimaschutz eine entscheidende Rolle.

Wenn man sich das so ansieht, sollten wir unsere Böden mindestens so gut beschützen wie die britischen Kronjuwelen oder die Mona Lisa im Louvre. Das tun wir aber nicht. Gegenwärtig verlieren wir weltweit Böden 30 bis 40 mal schneller als wir sie bilden können (mehr dazu hier). Das sind etwa 30 Fußballfelder pro Minute, laut American Scientific. Wie kann das passieren?

Das große Böden-Burnout

Ein Grund für Bodenverlust ist die rasch fortschreitende Versiegelung von fruchtbaren Böden, um neuen Baugrund zu schaffen. Auf diese Weise gehen in Österreich jeden Tag durchschnittlich 13 Hektar verloren (mehr dazu hier).

Zudem wird der Boden in unserem auf möglichste hohe Produktivität ausgerichteten Agrarsystem stiefmütterlich behandelt. So werden die immer größeren Ackerflächen zum Beispiel mit immer schwereren Maschinen bearbeitet, was eine Verdichtung des Bodens zur Folge hat. Gut 40 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen weltweit sind davon bereits betroffen (mehr dazu in diesem Vortrag). Und nicht nur das: Im Versuch, dem Boden noch ein wenig mehr Ernte abzuringen, setzt die “moderne” Landwirtschaft auf große Mengen Mineraldünger, die das Bodenleben durcheinander bringen und von den Pflanzen oft gar nicht aufgenommen werden können. Der Acker wird also auf höchste Produktivität getrimmt wie ein Leistungssportler, bis das System kippt.

Die Folgen könnten dramatisch sein: Laut den Vereinten Nationen bleiben uns nur noch 60 Erntejahre, in denen die Erträge für alle ausreichen. Wir ziehen uns also buchstäblich selbst den Boden unter den Füßen weg.

 

Rettet die Böden!

Und jetzt? Es muss sich im großen Stil etwas ändern, wenn wir die Böden retten wollen, von denen unser Überleben abhängt. Dafür müsste die Versiegelung der Böden auf ein absolutes Minimum reduziert werden, aber auch der Umgang mit Ackerböden müsste sich ändern. Humusaufbau, schonende Bodenbearbeitung, um Verdichtung zu verhindern und Fruchtwechselwirtschaft, damit der Boden nicht unter Mangelernährung leidet, sind hier entscheidend.

Doch damit sich wirklich etwas ändert, braucht es allerdings Beschlüsse auf EU-Ebene. Der Beschluss des ENVI-Ausschusses ist dabei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber es liegt noch ein weiter Weg vor uns. Als nächstes muss der Bericht vom Plenum – allen Abgeordneten des Parlaments – angenommen werden, ehe die Position des Europaparlaments feststeht. Und dann ist natürlich auch noch offen, was die Kommission in ihrer Strategie zum Bodenschutz überhaupt vorschlagen wird… Sarah wird sich jedenfalls weiter für die Rettung unserer Böden einsetzen, immerhin geht es hier um mehr als bloßen Dreck. Es geht um unsere Zukunft. 

Sarahs Forderungen

Erstens: Bodenschutz muss fest in die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) verankert werden!

Bodenaufbauende und -schonende Bearbeitungsweisen – wie etwa eine diverse, mehrjährige Fruchtfolge mit Leguminosen (stickstofffixierenden Pflanzen) und Agroforstsysteme müssen besonders gefördert werden. Leichtlösliche Mineraldünger sollten hingegen höher besteuert werden.

Zweitens: Landgrabbing muss verhindert werden!

Land wird in den letzten Jahren verstärkt als Investitionsobjekt betrachtet und die finanzielle Ausschlachtung der Natur beschleunigt sich immer mehr. Boden ist aber viel mehr als reine Geldmacherei! Er ist – wie oben bereits angeführt – unsere Lebensgrundlage. Um dies auch in Zukunft zu gewährleisten, müssen wir uns über Eigentumsverhältnisse und Machtkonzentration im Sektor endlich Gedanken machen. Einen guten Artikel dazu findet ihr hier. 

Ihr Wollt mehr zum Thema wissen?

Wer tiefer in das Thema “Boden” eintauchen möchte, dem sei auf jeden Fall die Dokumentation “Unser Boden – Unser Erbe” empfohlen. Hier spricht auch Sarah darüber, warum der Boden als letztes Paradies auf dieser Erde besonders schützenswert ist. 

Auch spannend: Kürzlich lief diese Diskussion zum Thema “Böden” auf 3sat. Mit dabei waren die renommierte Bodenwissenschaftlerin Andrea Beste, die auch Sarah und ihrem Kollegen MdEP Martin Häusling in Bodenfragen als Fachberaterin zur Seite steht. Sowie Martin Grassberger, der sich in seinem Sachbuch “Das leise Sterben” mit dem Zusammenhang zwischen Raubbau am Ackerboden und chronischen Krankheiten beschäftigt. Hier könnt ihr das Video nachsehen. 

 

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