Pestizidmythen

Fakten & Mythen rund um das Thema Pestizide

Die Industrie stellt den Einsatz von Pestiziden oft als notwendig und sicher dar. Dabei wird nicht nur verschwiegen, welchen Preis wir für ihren Einsatz zahlen, sondern auch, dass sowohl ihre Notwendigkeit als auch die Sicherheit eher eine Illusion sind. Erfahre hier, was beim Einsatz von Pestiziden wirklich auf dem Spiel steht.

I.
Sind Pestizide unbedenklich für Böden und unser Trinkwasser?

Mangelhafte Fruchtfolgen mit geringer Kulturpflanzenvielfalt und zeitlich engen Anbauabständen, der Einsatz von chemisch-synthetischem Stickstoff, Insektiziden und Herbiziden schädigen die biologische Vielfalt im Acker und damit die Stabilität des Bodens. Es ist nachgewiesen, dass Glyphosat, das am meisten eingesetzte Herbizid weltweit, viele wichtige Mikroorganismen im Boden abtötet und Antibiotika-Resistenzen im Boden fördert. Der Pestizideinsatz verhindert auch, dass Regenwürmer sich ausreichend vermehren können. Ein fruchtbarer, gesunder Boden ist ohne viele Regenwürmer nicht möglich. Jedoch gelangen die Chemikalien weit tiefer in den Boden bis ins Grundwasser. Wasserwerke betreiben daher einen hohen Aufwand, Pestizidrückstände aus dem Trinkwasser zu filtern. Das kann schon einmal bis zu 30 Cent pro Liter Trinkwasser kosten. Und wer bezahlt für die Trinkwasserreinigung? Nicht jene, die die belasteten Produkte produzieren oder kaufen. Alle Bürger*innen bezahlen mit hohen Wasserkosten für die Trinkwasserreinigung, denn die Kosten finden sich nicht im Preis der Lebensmittel wieder. Andere externe Kosten wie der Verlust an Bodenfruchtbarkeit werden gar nicht kompensiert.

Weitere Informationen: Gesunde Erde: Pestizide in Boden und Wasser – das Beispiel Glyphosat

II.
Können Pflanzen ohne synthetischen Pflanzenschutz langfristig überleben?

Gesunde Böden helfen Pflanzen, sich selbst gegen Schädlinge und Krankheiten zu schützen. Im Ökolandbau zum Beispiel sind die Pflanzen nicht dadurch widerstandsfähiger, wenn Pestizide einfach weggelassen werden. Vielmehr geht es darum, mit der Natur anstatt gegen sie zu arbeiten. Das bedeutet zum Beispiel, dass nicht mit synthetischem Dünger gearbeitet wird. Gesunde Böden fördern nachweisbar Krankheitsresistenzen der Pflanzen. Bei einem ökologischen Anbau wird so ermöglicht, dass die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren größer ist, wodurch Nützlinge leichter überleben und den Anbau schadenfrei unterstützen können. Darüber hinaus gibt es auch natürliche Pflanzenschutzmittel, die nicht synthetisch hergestellt werden und die Bodenfruchtbarkeit und die Artenvielfalt nicht angreifen.

Weitere Informationen: Ökolandbau.de – Vorbeugende Maßnahmen des ökologischen Pflanzenschutzes

Weiterführende Informationen
  • Vorbeugender Pflanzenschutz ohne chemisch-synthetische Pestizide
  • E-Book: Kellermann, Kim (2020): Die Zukunft der Landwirtschaft. Konventioneller, gentechnikbasierter und ökologischer Landbau im umfassenden Vergleich, 1. Auflage, Wiesbaden, Springer
  • Pimentel, D., P. Hepperly, J. Hanson, D. Douds, R. Seidel (2005): Environmental, Energetic, and Economic Comparisons of Organic and Conventional Farming Systems. BioScience 55, 7/2005, S. 573. (Englisch)

III.
Warum sollten ökologische Produkte eigentlich günstiger sein?

Betrachten wir mit langfristigem Blick die Landwirtschaft, so werden ökologisch erzeugte Produkte ohne Pestizide günstiger für die Gesellschaft. Das zeigt ein Beispiel aus dem Birnenanbau: Das Unternehmen EOSTA hat errechnet, dass bei konventioneller Erzeugung von Birnen die negativen Auswirkungen auf die Bodenqualität Kosten in Höhe von 1.163 Euro pro Hektar und Jahr verursachen. Das sind also Kosten, die bei konventionellen Produkten nicht im Preis inbegriffen sind. Die ökologische Produktion hatte dagegen positive Auswirkungen auf den Boden, die mit einem positiven Betrag von 254 Euro beziffert werden. Somit bringe die Bio-Birne einen Kostenvorteil von insgesamt 1.317 Euro gegenüber der vermeintlich günstigeren Birne aus konventionellem Anbau. Das könnte noch mehr werden, würde man CO2-Emissionen und Verlust an Biodiversität berücksichtigen.

Weitere Informationen: EOSTA – Was unser Essen wirklich kostet

IV.
Wie viel Schutz bieten EU-Standards im Hinblick auf Pestizide?

Einige Pestizide sind in der EU verboten, werden aber dennoch hier produziert. Diese werden in meist ärmere Drittländer außerhalb der EU exportiert. Produkte, die dort mit diesen Pestiziden angebaut werden, landen über Importe wieder auf unserem eigenen Teller. Dabei können sich auf importierten Lebensmitteln sogar Mischungen von mehreren Pestiziden gleichzeitig befinden, welche oft in deutlich höherer Konzentration vorliegen als im EU-Durchschnitt.

So können Pestizidhersteller strenge Regeln vermeiden, Profit kassieren, und agrarindustrielle Strukturen gegenüber Kleinbauern verfestigen. In Frankreich soll der Export der bei uns nicht zulässigen Pestiziden ab 2022 bereits verboten werden. Doch Deutschland, mit Bayer AG einem der größten Pestizidhersteller weltweit, wird noch weiter vom Verkauf derer profitieren.

Weitere Informationen: PAN Germany – Verbotene und gefährliche Pestizide in europäischen Lebensmitteln

V.
Warum reichen die wissenschaftlichen Tests von Pestiziden nicht aus?

Pestizide werden nicht auf Neurotoxizität, endokrine (hormonelle) Störungen oder Immuntoxizität (z.B. Entzündungen) getestet. Es wird auch nicht geprüft, wie Pestizide in geringen Dosen, in Mischungen, im Uterus oder anderen sensiblen Körperregionen, wirken. Da die Industrie selbst die (mangelhaften) Tests durchführt, steht sie in einem großen Interessenskonflikt. Unabhängige, wissenschaftlich bestätigte Studien werden bei der Zulassung der Pestizide nicht mit einbezogen, denn die Methoden für die Tests werden zusammen mit der Industrie entwickelt.

Vielmals wird nicht einmal ein wissenschaftlich klares Ergebnis bei den Tests erzielt. Stattdessen wird sich geeinigt, dass fortlaufend weitere Studien zur Beurteilung herangezogen werden. Viele Risiken werden daher erst nach der Zulassung bekannt. Regelmäßig verlieren bewilligte Pestizide ihre Zulassung deshalb wieder. Für die Böden, Nützlinge, und auch teilweise Menschen ist es dann schon zu spät. Die Methoden, um die Sicherheit der Pestizide zu untersuchen, sind veraltet und nicht umfassend. Sie werden zum Beispiel nur an Honigbienen getestet, jedoch nicht an weiteren Bestäubern.

Weitere Informationen: Pesticide Action Network (PAN) über die Pestizid-Gesetze der EU

VI.
Welche Rolle spielt der Ertrag für die Pestizidnutzung?

Schauen wir uns den Ökolandbau an, der auf Pestizide komplett verzichtet, sehen wir, dass das Entscheidende nicht der Ertrag ist. Systematisch betrachtet können Pestizide zwar mittelfristig dem Ernteausfall vorbeugen, doch zerstören sie langfristig die Bodenfruchtbarkeit, vergiften das Grund- und Trinkwasser, und reduzieren die biologische Artenvielfalt drastisch. Die Pflanzen, die allein auf Erträge gezüchtet werden, sind wenig widerstandsfähig und dadurch wesentlich anfälliger für Krankheiten als ökologisch erzeugte Pflanzen. Die weitreichende Nutzung von Pestiziden führt somit zu einem Teufelskreislauf, aus dem es immer schwerer wird, auszubrechen.

Systematisch betrachtet hat der Ökolandbau eine deutlich bessere Bilanz in Energieverbrauch, Klimaschutz und -anpassung, Humusaufbau, Wasserspeicherung, Grundwasserneubildung, Hochwasserschutz und Erhalt und Förderung der Artenvielfalt. Das spart der Gesellschaft langfristig viele externe Kosten – gleichzeitig erzielen gesunde Böden, reines Trinkwasser, und eine höhere Biodiversität Gewinne für die Gesellschaft. Neueste Studien zeigen auch, dass je nach Anbausystem und Region, die Erträge im Ökolandbau sogar weit über denen des konventionellen Anbaus liegen können.

Weitere Informationen: Thünen Report 65 – Systematische Vorteile des Ökolandbaus

Weiterführende Informationen:
  • Topagrar.com – Erträge im BIO-Landbau
  • Badgley, C. et al. 2007: Organic Agriculture and the global food supply. Renewable Agriculture and Food systems 22 (2) (Englisch)
  • Ähnliche und zum Teil höhere Werte (bis zu 250%) wurden ermittelt in:
    Pretty,J.; Hine, R (2001): Reducing Food Poverty with Sustainable Agriculture: A Summary of New Evidence, Essex (Englisch)
  • IFAD 2005: Organic Agriculture and Poverty Reduction in Asia: China and India Focus. Report No. 1664. Rome (Englisch)

VII.
Warum reicht das sogenannte Schadschwellenprinzip nicht aus?

Der sogenannte „integrierte Pflanzenschutz“ ist eine Kombination aus unter Anderem technischen und ökologischen Mitteln, um beim Pflanzenschutz den Einsatz von Pestiziden möglichst gering zu halten. Das ist in Deutschland gesetzliche Grundlage, wird aber kaum umgesetzt. Einige Pestizide werden als Beize für die Saaten eingesetzt, um einem Schädlingsbefall vorzubeugen. Diese Praxis widerspricht auch dem Schadschwellenprinzip, nach dem Pestizide erst eingesetzt werden sollen, wenn die Kosten einer ausgefallenen Ernte höher wären als der Einsatz des Pestizids. In Europa setzen das Prinzip nur 10 bis 15 Prozent der Landwirte um, stattdessen wird zu schnell zu chemischen Lösungen gegriffen.

Weitere Informationen: Gift auf dem Acker? Innovativ geht anders!

Weiterführende Informationen:
  • Pimentel. D. & M. Burges (2014: 5): Pesticides Applied Worldwide to Combat Pests. In: Peshin, R. & D. Pimentel (Hrsg.): Integrated Pest Management. Experiences with Implementation, Global Overview, Vol. 4. Springer Science + Business Media. (Englisch)

VIII.
Wie sollen ohne Pestizide 7 Milliarden Menschen ernährt werden?

Ein großer Irrglaube der Befürworter von Pestiziden ist, dass sie damit die Menschen weltweit ernähren und Hunger verhindern könnten. Dieses Argument ist sehr beschränkt, da es keinen umfassenden Blick auf das System zulässt. Schon jetzt hungern etwa 800 Millionen Menschen, und etwa 2 Milliarden sind mangelernährt. Die Welternährungsorganisation (FAO) berichtete im Jahr 2018, dass es schon jetzt möglich wäre, Hunger zu eliminieren. Dies gelingt allerdings nicht, solange wir noch immense Mengen an Lebensmitteln verderben lassen und verschwenden. Eine Landwirtschaft, die einfach nur mehr produziert, sichert keineswegs die Ernährung, wenn die Verteilung nicht fair funktioniert und die Böden als Grundlage unserer Nahrungsmittelproduktion auslaugt.

Weitere Informationen: FAO (2018): Food loss and waste and the right to adequate food. Making the connection, Rom, Food and Agriculture Organization of the United Nations. (Englisch)

IX.
Was sind die Ziele der Europäischen Kommission?

Die EU-Kommission hat sich mit dem Europäischen Green Deal vorgenommen, eine möglichst nachhaltige Wirtschaft aufzubauen. Mit der Farm-to-Fork Strategie möchte sie erreichen, die Nutzung und den Schaden durch Pestizide um 50% bis 2030 zu senken. Dieses Ziel hat die EU-Kommission auch mit der Biodiversitätsstrategie für 2030 nochmals explizit unterstrichen. Allerdings lässt sich schon an der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erkennen, dass die Mitgliedsstaaten letztendlich am lautesten Schreien – und diese haben sich hauptsächlich den Interessen der industriellen Landwirtschaft angenähert. Somit ist es nicht unwahrscheinlich, dass die EU-Kommission lieber den niedrigsten gemeinsamen Nenner zwischen Mitgliedsstaaten sucht, anstatt systemrelevante und ökologische Lösungen gegenüber technologischen Mitteln durchzusetzen.

Weitere Informationen:
Biodiversitätsstrategie 2030
Farm-to-Fork Strategie

X.
Welche Gesetze in der EU regeln den Einsatz von Pestiziden?

Wenn ihr euch nun fragt, was in der EU geregelt wird, findet ihr hier die aktuell geltenden Verordnungen und Richtlinien:

I. Die Richtlinie zur nachhaltigen Nutzung von Pestiziden (2009/128/EG)

Die Richtlinie besagt, dass Landwirte Praktiken und Produkte nutzen sollen, die das geringste Risiko für menschliche Gesundheit und für die Umwelt darstellen. Das gibt somit eindeutig die Priorität für präventive Mittel. Die Mitgliedsstaaten spielen dabei eine wichtige Rolle, sie sollen nicht-chemische Alternativen priorisieren und fördern. Außerdem verpflichtet das Gesetz die Regierungen, Zonen für Trinkwasser durch räumliche Pufferzonen besonders zu schützen.

II. Die Verordnung über Pflanzenschutzmittel (1107/2009/EG)

Die Verordnung schreibt vor, wie Pestizide geprüft und zugelassen werden sollen. Eine der Voraussetzungen zur Zulassung ist, dass ein Wirkstoff sich nicht schädlich auf Gesundheit von Menschen auswirkt und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt hat.

III. Die Wasserrahmen-Richtlinie (2000/60/EG)


Laut dieser Richtlinie sollen Grundwasserkörper geschützt werden. Sie listet Pestizide zu den wichtigsten Schadstoffen für Gewässer. Für aufkommende Schäden soll allerdings das Verursacherprinzip gelten und Umweltbeeinträchtigungen sollen am Ursprung bekämpft werden.

Im Jahr 2020 veröffentlichte die EU-Kommission Berichte über die Evaluierung dieser Gesetze und kam zum Schluss, dass die bisherigen Gesetze effektiv seien, um Menschen und Erträge zu schützen. Gleichzeitig bescheinigte jedoch der Europäische Rechnungshof, dass die Gemeinsame Agrarpolitik den Rückgang der Biodiversität in Europa nicht stoppen konnte. Der Rückgang der Biodiversität, die mangelhafte Nutzung von Alternativen, und die Verunreinigung von Grundwassern zeigt, dass die aktuelle Gesetzeslage nicht reicht, um unsere Umwelt und uns selbst vor Pestiziden zu schützen.

Weitere Informationen: Bericht der Kommission über Pestizide

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