Wiener: Pestizidreduktion ist kein Wunschkonzert, sondern Notwendigkeit

Komplizierte Ausnahmen und wässrige Berechnungsmethoden trüben neue EU-Pestizidverordnung.

Brüssel – Mit drei Monaten Verspätung ist die neue Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pestiziden in der EU (SUR) veröffentlicht worden. Österreich gehört zu den Mitgliedsstaaten, die sich bis zum Schluss dagegengestellt haben.

Sarah Wiener ist Grüne Schattenberichterstatterin für diese Verordnung sowie stellvertretendes Mitglied im Umweltausschuss des EU-Parlaments und kommentiert: „Es ist schwer zu verdauen, dass Österreich sich schon von Anfang an gegen die notwendigen Pestizidreduktionsziele gestellt hat und diese noch nicht einmal im Green Deal ankündigen wollte – als einziges EU-Land. Ich erwarte vom neuen Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, dass er Vernunft walten lässt: Artenvielfalt, Gesundheit und die Zukunft unserer Kinder müssen über den Interessen der Agrarlobby stehen.“

Die vorgeschlagene Verordnung hat nach erster Durchsicht noch viele Lücken: „Es ist zwar positiv, dass die Kommission zum Beispiel Pufferzonen zu Wasserläufen und das Verbot von chemischen Pestiziden auf öffentlichen Flächen erwähnt, aber gleichzeitig setzt sie auf fragwürdige Berechnungsmethoden für die Reduktionsziele in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Die Kommission lässt hier nicht nur zu viel Spielraum, sondern legt auch keine Konsequenzen fest. Was passiert, wenn wir die Ziele verfehlen? Dazu bietet der vorgelegte Text keine klaren Antworten. Pestizidreduktion ist kein Wunschkonzert, sondern eine überlebenswichtige Notwendigkeit“, kommentiert Wiener.

Ein weiteres Problem ist der Indikator, mit dem Erfolg oder Misserfolg gemessen werden sollen: „Die Giftigkeit von chemischen Pestiziden wird nicht genügend in die Bewertung des Risikos einbezogen. Es macht einen großen Unterschied, ob ich das synthetische Fungizid Difenoconazol auf meiner Apfelplantage versprühe oder natürliches Backpulver benutze, um den gleichen Effekt zu erreichen. Weil der sogenannte „Harmonisierte Risikoindikator“ aber die ausgebrachte Menge stärker gewichtet als die Inhaltsstoffe, ist Backpulver nun plötzlich gefährlicher als eine chemische Substanz. Das ist absurd.“

Der erste Austausch zur Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pestiziden (SUR) findet heute im Umweltausschuss des Parlaments statt. Beginn der Ausschusssitzung ist um 9 Uhr, der Aussprache mit der zuständigen Kommissarin Kyriakides um 9:45.

Den Ausschuss können Sie hier live mitverfolgen und nachschauen: https://multimedia.europarl.europa.eu/de/webstreaming/envi-committee-meeting_20220630-0900-COMMITTEE-ENVI   

Mehr Information: Der Harmonisierte Risikoindikator (HRI 1)

Um die Gefahr zu berechnen, die von Pestiziden ausgeht, kombiniert der HRI 1 die ausgebrachte Menge mit der Toxizität. Während die Menge jedoch in Gramm oder Kilogramm angegeben wird, wird das Risiko nur auf einer Skala von 0 bis 16 geschätzt, obwohl es oft tausendfach höher ist. Das führt zu massiven Verzerrungen: Um einen Hektar Apfelplantage gegen Fungizide zu behandeln, werden etwa 7,5 Kilo Backpulver gebraucht, jedoch nur 56 Gramm Difenoconazole. Letzteres ist tausendfach giftiger als das Hausmittel Backpulver und wird durch diese Berechnung dennoch als weniger gefährlich eingestuft.
 
Diese Berechnung benachteiligt also vor allem den Öko-Landbau. Bestes Beispiel dafür ist Österreich: Laut HRI 1 stieg das Gesamtrisiko durch Pestizide in Österreich während des Zeitraums, in dem die Landwirte in Österreich zunehmend von konventioneller auf biologische Landwirtschaft umstellten.

Absender:
Sarah Wiener

Ort:
Brüssel am 30.6.2022

Schlagworte:
Landwirtschaft / Pestizide / Bio / Farm To Fork

Kontakt

Rückfragehinweis:

Ludmilla Reisinger
Pressesprecherin Sarah Wiener, MEP
ludmilla.reisinger@la.europarl.europa.eu
+43 660 3213732

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