Neue Liste für Reserveantibiotika rettet keine Menschenleben

Der lang erwartete Entwurf der Europäischen Arzneimittelbehörde bringt nichts Neues. Wer zu spät auf Antibiotikaresistenzen reagiert, öffnet die Büchse der Pandora, warnt Sarah Wiener.

Brüssel, 15. März. Heute wird im Umweltausschuss über eine Liste mit Reserveantibiotika debattiert, die der Humanmedizin vorbehalten sein sollen. Aufgesetzt wurde diese Empfehlung von der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA). Das Ziel: Den Einsatz von Antibiotika in der Tiermast streng zu reglementieren und bestimmte Wirkstoffe für die Behandlung von multiresistenten Keimen bei Menschen zu reservieren. Das wird auch höchste Zeit. Denn schon jetzt sterben allein in der EU rund 33. 000 Menschen im Jahr an Antibiotikaresistenzen.

Die neue Liste ist da allerdings nicht der erhoffte Durchbruch, kommentiert Sarah Wiener, Grüne EU-Abgeordnete und Mitglied des Umweltausschusses: „Das ist maximal eine Zementierung des Status quo. Aktuell stehen auf dieser Reserveliste nur Arzneimittel, die in der EU sowieso nicht zur Behandlung von Tieren zugelassen sind. Das ändert also rein gar nichts. Zum Vergleich: Nur acht der 17 Mittel, die von der WHO als „kritisch wichtig“ für die Humanmedizin eingestuft werden, sind hier genannt. Es fehlt etwa das Antibiotikum „Colistin“. Dieses ist oft der letzte Ausweg für Patient*innen mit multiresistenten Keimen, wird aber auch in der Tierhaltung genutzt, um Durchfall bei Ferkeln zu behandeln. Das könnte vermieden werden, wenn die Ferkel nur zwei Wochen später entwöhnt würden und ihr eigenes Immunsystem durch alters- und wesensgemäße Nahrung stärken könnten. Antibiotikareduktion erreicht man durch bessere Tiergesundheit und robustere Züchtungen – und nur wenn uns diese Reduktion gelingt, können wir auch den Vormarsch der multiresistenten Keime stoppen.“

Die Liste der EMA ist Teil der neuen Tierarzneimittelverordnung, die mit Jänner 2022 in Kraft getreten ist. Damit wird unter anderem die prophylaktische Abgabe von Antibiotika an ganze Tierherden in der EU verboten, ein längst überfälliger Schritt.

Wiener: „Einmal mehr ist es hier das System, das Probleme verursacht. Wer Tiere auf engstem Raum in lichtlose Ställe pfercht, muss sich nicht wundern, wenn sich Krankheiten rasend schnell ausbreiten. Um der sinnlosen Verschwendung von wertvollen Wirkstoffen Einhalt zu gebieten, müssen wir auch bei den Massentierhaltungssystemen ansetzen – und dabei global denken. Denn die Reserveliste der EU wird auch für Importe gelten. Ausländische Importeure von Fleisch oder anderen Tierprodukten dürfen die gelisteten Antibiotika in Zukunft nicht einsetzen, wenn sie auf dem EU-Binnenmarkt verkaufen wollen. Gerade vor dem Hintergrund, dass Antibiotika in Drittstaaten auch als Wachstumshilfe bei Tieren missbraucht werden, ist das umso entscheidender. EU-Importregeln können hier einen weltweit wichtigen Impuls für die Reduktion des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung setzen. Denn Resistenzen machen nicht vor Grenzen Halt.“

Der Entwurf der EMA wird heute öffentlich im Umweltausschuss diskutiert. Live zu sehen ist das auf der Webseite des Europäischen Parlaments: https://multimedia.europarl.europa.eu/en/webstreaming/envi-committee-meeting_20220315-0900-COMMITTEE-ENVI.

Absender:
Sarah Wiener

Ort:
Brüssel am 15.03.2022

Schlagworte:
EU / Tierhaltung / Reserveantibiotika /
Landwirtschaft

Kontakt

Rückfragehinweis:

Ludmilla Reisinger
Pressesprecherin Sarah Wiener, MdEP
ludmilla.reisinger@la.europarl.europa.eu
+43 660 3213732

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