Keine Gentechnik in der EU

Wie oft müssen wir noch „Nein“ sagen?

Bald 50 Einsprüche hat das europäische Parlament schon gegen die Zulassung von genveränderten Organismen (GVOs) erhoben. Die Kommission ist davon unbeeindruckt. Gleichzeitig stuft ein kürzlich veröffentlichtes Gutachten neue Gentechniken zusätzlich als unbedenklich ein – was tut sich auf EU-Ebene zum Thema “Gentechnik”?

Das Parlament erhebt mit Nachdruck Einspruch gegen die Lockerung der Regeln für die sogenannte “neue Gentechnik”. Schon über 50. Mal sprachen sich die Abgeordneten im Ausschuss für “Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit” gegen die Zulassung von bestimmten GVOs in der EU aus. In zwei Wochen wird der Einspruch in der Plenarsitzung von allen Abgeordneten des Parlaments noch einmal abgestimmt. Wie das ausgehen wird, ist abzusehen. Die Kommission ignoriert diese klaren Ansagen jedoch geflissentlich.

Parallel zu diesen Geschehnissen veröffentlichte die EFSA, die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, im November ein Gutachten, das Grund zur Sorge gibt: Könnten Produkte, die mittels neuer Gentechnik verändert wurden, in Zukunft von der GVO-Richtlinie der EU ausgenommen werden?

Importverbot von GVOs

Zuerst zu den neuesten Einsprüchen des Parlaments: Dabei geht es darum, ob die EU zulassen wird, dass fünf gentechnisch veränderte Pflanzensorten importiert und hier verkauft werden können. Es handelt um vier Maissorten und eine Sojabohne, die gentechnisch modifiziert wurden, so dass sie entweder resistent gegen das Spritzmittel “Glyphosat” sind oder selbst Pestizide produzieren. Letzteres klingt nicht schlecht, bis man sich vor Augen hält, dass diese Bt-Toxine neben Schädlingen auch Nützlinge töten. Immerhin handelt es sich um Giftstoffe.

Toxische Rückstände und brennende Regenwälder

Aber Insekten sind nicht der einzige Grund, warum sich die europäischen Grünen und damit auch Sarah Wiener gegen die Einfuhr von modifizierten Pflanzen stemmen: Denn für herbizidresistente Pflanzen werden oft sogar mehr Spritzmittel eingesetzt, wodurch diese höhere Rückstände aufweisen können. Wenn diese Pflanzen zum Beispiel in den Futtertrögen von Mastschweinen landen, ist die Chance groß, dass die toxischen Substanzen als nächstes unsichtbar in unseren Kochtöpfen schwimmen. Das hat Folgen: So können die Bt-Toxine in einigen GVOs etwa Allergien auslösen.

Außerdem stützen sich die europäischen Grünen in ihrer Ablehnung auch auf die Meinung der Mitgliedstaaten. Denn damit eine GVO-Genehmigung von den Regierungen der Mitgliedstaaten positiv gesehen wird, muss eine qualifizierte Mehrheit dafür vorliegen. Das war bislang für keinen einzigen GVO der Fall. Im Gegenteil: Zumeist sprach sich die Mehrheit dagegen aus.

Zuletzt gibt es noch einen Grund, an den der oder die Otto Normalverbraucher*in vielleicht nicht sofort denkt, wenn er oder sie ein billiges Schweinesteak kauft, das mit GVO-Sojabohnen gemästet wurde: Um diese Produkte zu erzeugen, werden in Ländern wie Brasilien, wo der Anbau von gentechnisch verändertem Mais erlaubt ist, hektarweise Regenwald abgeholzt. Mit dem Import dieser Pflanzen heizt die EU also auch den Klimawandel an. Das hat wenig mit der Förderung der global nachhaltigen Versorgungskette zu tun, die die Kommission in der Farm-To-Fork-Strategie verspricht.

Gen-Editierung ist unbedenklich?!

Es gibt also mehr als genug Risiken, die mit GVOs verbunden sind und die europäischen Grünen lehnen folgerichtig jegliche Lockerung der Regulierungen für solche Organismen kategorisch ab. Das Problem: Große Konzerne lobbyieren in die Gegenrichtung und das offenbar erfolgreich. In einer Einschätzung, die die EFSA vergangene Woche veröffentlicht hat, stellt sie fest, dass die neue Technik “Gene-Editing” nicht gefährlicher sei als konventionelle Züchtung. Die unerwünschten Nebeneffekte, die dabei auftreten, seien zu vernachlässigen. Es lohne sich daher nicht, sich mit ihnen zu befassen.

“Da schrillen bei mir alle Alarmglocken”, kommentiert Sarah Wiener. Es ist offensichtlich, dass die EFSA der Sicherheit von Vebraucher*innen und Umwelt nicht genügend Aufmerksamkeit schenkt. Denn die Risiken, die durch die genannten Nebeneffekte auftreten können, sind kaum abschätzbar. Gleichzeitig ist nicht bekannt, wie etwa gentechnisch veränderte Pflanzen in freien Ökosystemen agieren. Ein Spiel mit dem Feuer also, denn einmal ausgesetzte Pflanzen können nicht einfach wieder ausgerottet werden. Es ist daher enttäuschend und unverantwortlich, dass die EFSA eine solche Technologie als “unbedenklich” bezeichnet.

Was könnten die Folgen sein?

2018 hat der EuGH festgestellt, dass gen-editierte Organismen auch unter die Gentechnik-Regelung der EU fallen, wodurch strengere Regeln für ihre Zulassung gelten. So ist zum Beispiel eine Sicherheitsbewertung unbedingt erforderlich, damit eine veränderte Pflanze in die EU importiert oder hier angebaut werden kann.

Das neue Gutachten der EFSA könnte das Blatt wenden: Basierend auf dieser Einschätzung könnte die Kommission im kommenden Jahr den Ausschluss von “neuer” Gentechnik aus der entsprechenden Gesetzgebung vorschlagen. Eine solche Entscheidung hätte gravierende Auswirkungen auf die Landwirtschaft in der EU und alle EU-Bürger*innen. In Zukunft könnten dann gentechnisch veränderte Lebensmittel im Supermarktregal und auf unseren Tellern landen. Ohne Risikoanalyse und ohne Kennzeichnung. Eine Zukunftsperspektive, die die europäischen Grünen um jeden Preis verhindern wollen.

Ihr wollt mehr zum Thema erfahren?

Gen-Editierung schnell erklärt

Das sogenannte “Gene editing” meint Methoden der neuen Gentechnik, die im Gegensatz zur “klassischen” Gentechnik angeblich präzisere Eingriffe in das Erbgut möglich machen. Dafür wird die Struktur der DNA mit sogenannten Gen-Scheren – wie CRISPR-Cas9 – zerschnitten und anschließend verändert. So sollen GVOs entstehen, die ganz bestimmte Eigenschaften besitzen. Dieses “Gene Editing” hat aber entscheidende Risiken: Zum Beispiel ist unbekannt, wie sich solche genveränderten Organismen in Ökosystemen verhalten würden. Außerdem kommt es oft zu unerwünschten Nebenwirkungen: Die Auswirkungen sogenannter “Off-Target-Effects” sind kaum abschätzbar. So starben etwa Kälber, denen man die Hörner mittels Gentechnik “weg editierte”, an schweren Organschäden. Mehr Informationen und Studieneinschätzungen zum Thema findet ihr auf der Website von „Testbiotech“.

Zulassung von GVOs: Ein Vergleich zwischen EU und USA

Während in den USA gen-editierte Organismen ohne Risikobewertung zugelassen sind, fallen sind in der EU laut einem Urteil des EUGH aus dem Jahr 2018 unter die “Gentechnik-Richtlinie” und unterliegen daher denselben Sicherheitsbestimmungen wie Produkte “klassischer Gentechnik”. Das entspricht dem in der EU angewandten Vorsorgeprinzip, das besagt, dass Schäden für die Umwelt oder die Gesundheit ihrer Bürger*innen möglichst im Voraus vermieden werden sollen. In den USA gilt in Bezug auf Gentechnik dagegen das Prinzip der “Produkt-Äquivalenz”. Wenn ein GVO stofflich gleich ist wie die “natürlich” Version des Produktes, wird es zugelassen und ohne Kennzeichnung verkauft.

Noch mehr zum Thema findet sich in der Studie

„Designerpflanzen als Allheilmittel sind nicht die Lösung!“

– herausgegeben von dem deutschen Agrarpolitiker und MdEP Martin Häusling

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