Hände weg von den Brachflächen und Lebensmittel auf den Teller!

Studie zur Lebensmittelversorgung

Sarah Wiener und Martin Häusling diskutierten gemeinsam mit den Autor*innen und weiteren Expert*innen über die neue Studie „Ukraine-Krieg und globale Lebensmittelversorgung“. Die Ergebnisse in aller Kürze.

Der Krieg in der Ukraine hat nicht nur furchtbare Auswirkungen für die Menschen vor Ort, sondern trifft auch auf eine angespannte Versorgungslage auf den globalen Agrarmärkten. Bereits jetzt leiden 873 Millionen Menschen unter Hunger und die Preise für Getreide und Düngemittel sind schon vor Beginn der russischen Invasion angestiegen. Was können wir tun, um dieser Krise zu begegnen?

Die neue Studie „Ukraine-Krieg und globale Lebensmittelversorgung: Auswirkungen und agrarpolitische Handlungsoptionen“, die von Prof. Dr. Sebastian Lakner, Professor für Agrarökonomie an der Universität Rostock, Dr. Wilhelm Klümper und Kristina Mensah durchgeführt wurde, beschäftigt sich genau mit diesen drängenden Fragen. Sie formulierten sieben Handlungsempfehlungen:

I. Offene Märkte
sind der Schlüssel

Offene Märkte können in einer Krisensituation fehlende Mengen am besten ausgleichen. Je mehr Volkswirtschaften freien Handel ermöglichen, desto besser werden Schocks abgepuffert. Gerade die großen Exporteure von Agrargütern sollten sich auf das Prinzip offener Märkte verständigen. Im Fall von Entwicklungsländern (wie aktuell z.B. Indien) kann es jedoch begründete Einzelfälle von Exportrestriktionen geben, die von Fall zu Fall sorgfältig geprüft werden müssen.

II. Eine globale Krise erfordert gemeinsame Lösungen

Es ist empfehlenswert, Maßnahmen und Initiativen, die zur
Stabilisierung der Versorgungslage führen sollen, nach Möglichkeit international, mindestens in der EU-27, jedoch auch im Rahmen von G7, G20 und WTO abzustimmen.

III. Kein Getreide mehr
in den Tank!

Es ist empfehlenswert, die Beimischung von Biokraftstoffen auszusetzen. Eine Aussetzung dieser Pflicht ist kurzfristig gesetzgeberisch möglich, könnte die Versorgungslage bei Futtergetreide verbessern und andere Getreidepartien für den Export freisetzen.

IV. Weniger Fleischkonsum, weniger Getreide im Trog

Eine Reduktion der Tierhaltung ist kurzfristig vor allem aufgrund von Marktprozessen zu erwarten. Hohe Inputpreise könnten zu einem leichten Rückgang in der Tierproduktion führen. Diese Marktreaktion setzt effektiv sofort Getreide für den Food-Bereich frei. Mittelfristig ist es sinnvoll, Maßnahmen zur Reduktion der Verwendung von Getreide für die Veredelung über Maßnahmen zu erreichen, die simultan Fleischverbrauch senken und Tierwohl erhöhen, bspw. eine Tierwohl-Abgabe. Zwischen dem Ausbau des Tierwohls, dem Klimaschutz und einer geringeren Verwendung von Getreide für die Veredelung besteht positive Wechselwirkungen.

V. Die Gemeinsame
Agrarpolitik anpassen

Der seit einigen Monaten diskutierte Umbruch von Brachflächen (GLÖZ 8), die aus umweltpolitischen Motivationen angelegt werden, erscheint angesichts der zu erwartenden ökologischen Schäden eines solchen Umbruchs und des geringen Mengenpotenzials eines Umbruchs nicht sinnvoll. Dagegen könnte eine Aussetzung der Fruchtwechsel-Vorschriften (GLÖZ 7) (als kurzfristige Notfallmaßnahme) durchaus zu einer Verbesserung der Versorgungslage beitragen und mit wesentlich geringeren ökologischen Folgewirkungen verbunden sein.

VI. Den Weg für ukrainisches Getreide freimachen

Aktuell gibt es in der Ukraine noch erhebliche Lagermengen an Getreide. Durch eine Erleichterung von Zollkontrollen, einen verbesserten Marktzugang der Ukraine zum europäischen Markt und verbesserte Logistik (z.B. durch die Zulassung ukrainischer Lkw für die EU) könnten größere Mengen aus der Ukraine über den Landweg exportiert werden und damit zur Entlastung der angespannten Marktlage beitragen. Dieser Export ist auch wichtig, um Lager für die neue Ernte 2022 frei zu machen.

VII. Entwicklungspolitische Herausforderungen nicht aus den Augen verlieren!

Kurzfristig erscheint es sehr wichtig, die finanziellen Zuwendungen an Entwicklungshilfeorganisationen wie z.B. das WFP zu erhöhen oder getreideimportierende Länder finanziell zu unterstützen. Mittelfristig erscheint es dringlich, die entwicklungspolitischen Herausforderungen ernst zu nehmen und etwa die Eigenversorgung in Entwicklungsländern und die Süd-Süd-Handelsbeziehungen zu stärken

Die Aufzeichnung der offiziellen Studienvorstellung könnt ihr hier nachschauen:

Ähnliche Artikel

Ähnliche