Frische Antibiotika für Europa

Was verspricht die neue Arzneimittelstrategie?

Gestern hat die europäische Kommission ihre Arzneimittelstrategie präsentiert. Was ist drinnen – vor allem im Bereich Antibiotika – und wie fallen die ersten Reaktionen aus? Ein Follow-Up zu unserem Blogbeitrag über den Antibiotika-Aktionstag.

Stellt euch vor, ihr fühlt euch krank und geht zum/r Hausarzt/ärztin eures Vertrauens. Schnell wird eine bakterielle Infektion festgestellt und ihr bekommt Antibiotika. Doch obwohl ihr euch genau an die Regeln haltet und die Behandlung gut abschließt, verschwinden die Symptome nicht. Weitere Antibiotikabehandlungen folgen, alle wirkungslos. Ihr habt euch einen multiresistenten Keim eingefangen und seit jetzt auf sogenannte Reserveantibiotika angewiesen. Das Problem: Es werden immer weniger neue Antibiotika zugelassen, weil die Forschung daran für Pharmaunternehmen nicht so lukrativ ist. Auf Dauer entsteht hier also ein Engpass. 

Situationen wie diese sind es, die die Kommission mit der Europäischen Strategie für Arzneimittel adressiert, die offenen Zugang zu Medikamenten für alle EU-Bürger*innen garantieren soll. Was steht nun also in diesem Strategiepapier?

Von der Forschung bis zur Entsorgung 

Die am Mittwoch veröffentlichte Strategie fügt sich in die Reihe der „ganzheitlichen“ Strategien ein, die die Kommission in diesem Jahr vorgestellt hat. Aber im Gegensatz zur Farm-To-Fork-Strategie, die den Weg eines Lebensmittels vom Hof bis auf den Tisch verfolgt, geht es dieses Mal um Medikamente. Die geplanten Aktionen ziehen sich von ersten Tests im Labor bis zum Wegwerfen leerer Tablettenschachteln und lassen sich in vier Säulen einordnen: Zugang zu Medikamenten für alle EU-Bürger*innen, Innovation in der Forschung, Krisenvorsorge und Globalisierung.

Mehr dazu könnt ihr in diesem Factsheet der europäischen Kommission nachlesen.

Und was ist jetzt mit Antibiotika? 

Das Thema “Antibiotikaresistenzen” (AMR), das für Sarah Wiener als Vorsitzende der gleichnamigen Interessensgruppe im Parlament relevant ist, wird in der Strategie mehrfach angesprochen.

So werden im Kapitel “Ungedeckter medizinischer Bedarf” etwa Initiativen zum Thema “Antibiotikaresistenzen” gelistet. Darunter fällt zum Beispiel, dass die Kommission die Erforschung neuer Antibiotika ankurbeln möchte, um Engpässe auszugleichen – und zwar bereits nächstes Jahr. 2022 soll dann in einem weiteren Schritt die Arzneimittelgesetzgebung der EU überarbeitet werden. Dafür kündigt die Kommission an, ein besonderes Augenmerk auf Maßnahmen zu legen, die den Einsatz von Antibiotika beschränken. Zuletzt will sie abseits der gesetzlichen Regulierung aktiv werden – etwa, um den vorsichtigen Umgang mit Antibiotika bewerben.

Auch im Kapitel “Qualitativ hochwertige, sichere und umweltfreundliche Arzneimittel” findet sich ein Hinweis auf Antibiotikaresistenzen: Die Kommission schreibt, dass sie mit internationalen Organisationen zusammenarbeiten wird, um Umweltrisiken einzuschränken. Dabei geht es auch darum, die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen durch eine sicherere Produktion einzudämmen. 

Das Problem bei der Wurzel packen 

Reicht das, was die Kommission hier in Bezug auf AMR verspricht? Tatsächlich greift die Strategie einige der Punkte auf, die die Interessengruppe “AMR” auch in ihrem offenen Brief an die Kommission vorgeschlagen hat: So zum Beispiel in Bezug auf Forschung nach neuen Wirkstoffen oder die umweltfreundliche Produktion und Entsorgung von Antibiotika.

Aber gibt es Raum für Verbesserungen, zumindest in den Augen der europäischen Grünen: Denn multiresistente Keime könnten der Auslöser für die nächste Pandemie sein, dennoch ist die Kommission in dieser Strategie eher zurückhaltend, was Regeln für den Einsatz von Antibiotika betrifft. Aus der Grünen Perspektive braucht es eindeutig mehr Ambition, um die globale Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen in den Griff zu bekommen.

Nur Anreize in der Forschung zu setzen sind also nicht genug, sagt auch Sarahs Grüne Kollegin Jutta Paulus und fordert:

Wir müssen das Problem an der Wurzel packen und rasch strengere Vorgaben für den Einsatz von Antibiotika einführen, insbesondere in der Massentierhaltung.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Kommission wird jetzt Schritt für Schritt an der Umsetzung der Strategie arbeiten und Vorschläge machen. Es liege aber noch ein langer Weg vor der EU, betont die zuständige Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Stella Kyriakides: „Diese Strategie ist die Basis für die Arbeit der nächsten Jahre.“ Wie schnell sich also wirklich etwas tut, wird sich noch zeigen.

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