Eine GAP von gestern für morgen
Warum an der „neuen“ Gemeinsamen Agrarpolitik kaum etwas neu ist
Einschneidende gesellschaftliche oder politische Veränderungen werden bereits seit der Römischen Republik als Reform bezeichnet. Doch was in Brüssel gerade mit der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) passiert, wird diesem Begriff nicht gerecht. Es ist keine Reform, als „Weiter wie bisher“ kann man es dann auch nicht bezeichnen. Was sehen wir hier also?
Wenige Tage vor Abstimmungsbeginn im großen Plenum des EU-Parlaments – und auch noch als die ersten Abstimmungsrunden bereits vorüber sind – quillt unser Posteingang über. Auch das Telefon klingelt im Büro von Sarah Wiener erheblich öfter als sonst. Wir erhalten eine Anzahl von E-Mails, Briefen und Anrufen, die den normalen Wahnsinn noch bei weitem übertrifft. Drei bis vier Teammitglieder kümmern sich an den unterschiedlichen Tagen um den Posteingang, denn allein wäre das nur schwer zu stemmen.
Schönreden ist schwierig
Viele unsere Bauern und Bäuerinnen sind absolut am Limit, finanziell, körperlich, aber auch psychisch: Am Abend nach der ersten Abstimmungsrunde ist ein befreundeter Biobauer am Telefon. Er möchte wissen, was in Zukunft auf ihn und seine Familie zukommen wird. Er wirkt gefasst aber doch enttäuscht über die Schilderungen aus Brüssel. Denn auch Schönreden hilft da nicht viel: Trotz des massiven Widerstands von allen Seiten und trotz all der Anrufe und Emails, hat das Parlament eine Position für die neue GAP verabschiedet, die einfach nicht tragbar ist.
Ein Reformvorschlag der keiner ist
Konservative Politiker*innen, aber auch Liberale und vielleicht am enttäuschendsten – nicht jedoch am überraschendsten – Sozialdemokrat*innen aus ganz Europa verkaufen den Deal in Parlament und Rat als wichtigen Systemwandel in der Landwirtschaft.
Tatsächlich ist so manches neu: Das frühere Greening wurde durch Eco-Schemes ersetzt. Das sind Umweltprogramme, die Öko-Zahlungen in der 1. Säule erlauben. Dies geht einher mit einer Zuwendung zu ergebnisorientierter Förderung und weg von reinen Maßnahmenförderungen. Das ist ein guter Schritt in die richtige Richtung, aber ist das schon genug, um von einem Systemwandel zu sprechen?
Ähnliches gilt für die Re-nationalisierung, die von Wissenschaftler*innen und progressiven Landwirtschaftsverbänden mit Sorge gesehen wird. Sie ist kein Systemwechsel, sondern viel mehr ein Nachgeben gegenüber nationalistischen Tendenzen. Was ist also drinnen, in der dieser GAP?
Kein Platz für die Farm-To-Fork
Einige wichtige Änderungsanträge hat das Parlament leider abgelehnt. Darunter einen, der die Ziele der Farm-to-Fork- und der Biodiversitätsstrategie direkt in die GAP-Verordnung verankert hätte. Das hätte etwa die Reduktion des Einsatzes von Pestiziden, die Vermeidung von Nährstoffüberschüssen und den Schutz von Landschaftselementen (z.B. Hecken und Blühstreifen) betroffen. In der Folge hätte es die EU-Kommission auch deutlich leichter gehabt, die Mitgliedstaaten und ihre nationalen Strategipläne für die Umsetzung der GAP in die Verantwortung zu nehmen.

Tschüss, Green Deal!
Zwar bekannten sich die Abgeordneten mehrheitlich zu einer Ausrichtung der GAP an dem Pariser Klimaabkommen, aber ein verbindliches Reduktionsziel von 30% bis 2030 bekam keine ausreichende Mehrheit.
Auch Umfang und Ausgestaltung der Eco-Schemes innerhalb der Gemeinsame Agrarpolitik sind enttäuschend: Immerhin sollen 30 % des Budgets dafür aufgewendet werden, doch gleichzeitig werden auch mindestens 60% weiterhin als reine Flächenförderungen (pro Hektar) ausgegeben. Inhaltlich wissen wir noch nicht allzu viel über diese neuen Eco-Schemes, aber diese müssen zum Beispiel mit Wettbewerbszielen vereinbar sein, was sicher nicht für alle Umweltmaßnahmen realistisch ist. Man stellt hier Wettbewerbsfähigkeit also wieder einmal über alles. Stellt sich die Frage, wie so die Ziele des Green Deals erreicht werden sollen und es kommt der Verdacht auf, dass das wohl nicht mehr als leere Worte waren.

Schlechter als der Status Quo
Nun könnte man sagen: „Gut, dann geht es eben so weiter wie bisher, das war doch zu erwarten“, aber die ’neue‘ GAP ist in manchen Belangen sogar schlechter als der Status Quo. Denn der Schutz von Moor und Sumpfgebieten – besonders kohlenstoffhaltige Böden mit einzigartiger Biodiversität – soll zum Beispiel massiv gelockert werden. Das Pflügen in Dauergrünlandgebieten und Natura 2000-Gebieten wird damit wieder erlaubt. Ein schwarzer Tag für unsere Umwelt!

Die guten Seiten
Ein paar wenige positive Aspekte gibt es aber dann doch: Zum einen gab es einen Änderungsantrag, der im Speziellen Bio-Betriebe fördern soll. Außerdem werden Förderungen für die Aufzucht von Bullen für Stierkämpfe in Zukunft wegfallen.
Zuletzt hat man auch endlich Schritte in Richtung einer „sozialen Architektur“ gesetzt. So sollen Verstöße gegen das Arbeitsrecht mit Sanktionen belegt werden. Angesichts diverser Fälle in jüngster Zeit, in denen etwa Erntehelfer*innen von ihren Arbeitgeber*innen ausgebeutet wurden, ein wichtiger Schritt.

#VoteThisCAPdown
Die Grünen können da nicht mitgehen und werden bis zur letzten Minute versuchen, den Karren noch in die richtige Richtung zu lenken. Die GAP entstand 1962 in enger Kooperation mit der Welthandelsorganisation (WHO). Sie ist wurde ersonnen, um die billige Massenproduktion am Weltmarkt zu unterstützen. MancheR möge nun argumentieren, dass das im Kontext der Nachkriegszeit auch dringend nötig war, schließlich befand sich Europa noch immer im Wiederaufbau. Ob das tatsächlich der einzig richtige Weg gewesen ist, ist allerdings nicht Gegenstand dieses Artikels.
Beachtenswert, wenn nicht erschreckend, ist jedoch schon, dass die GAP nach wie vor weitgehend die gleichen Ziele wie vor einem halben Jahrhundert verfolgt. Die Zeit scheint völlig stehen geblieben zu sein, obwohl der Planet brennt.

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