Die blinden Flecken der EFSA
Verheerendes Wegschauen in der GVO-Risikobewertung
Bevor Produkte der Grünen Gentechnik – wie etwa Mais und Soja – als Futtermittel für den Import in die EU zugelassen werden dürfen, müssen sie die Risikoeinschätzung der EFSA, der europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde, durchlaufen. Dazu führt man etwa Feldversuche durch oder testet die Giftigkeit sogenannter BT-Pflanzen, die eigene Insektizide produzieren. So sollen, wie im Vorsorgeprinzip festgeschrieben, zukünftige Schäden vermieden werden. Was passiert jedoch, wenn eben diese wichtige Zulassungsprüfung nachlässig durchgeführt wird?
Kritik an der EFSA
Diese Einschätzungen basieren auf dem Projekt “RAGES” – ein Akronym für Risikoabschätzung von gentechnisch veränderten Organismen in der EU und der Schweiz –, das von 2016 bis 2020 die Praxis der EFSA eingehend untersucht hat. Testbiotech hat die Ergebnisse eben dieses Projekts den Reaktionen der EFSA darauf gegenübergestellt. Die Schlussfolgerung ist eindeutig: Die EFSA unternehme nicht nur zu wenig, um die Lücken zu schließen und sondern stelle “im Gegenteil auch noch falsche Behauptungen auf, um von den blinden Flecken der Risikoprüfung abzulenken.”
Wie die EFSA Fakten negiert
Testbiotech hat die Sicherheitslücken in der EFSA-Risikobewertung in zwei Gruppen aufgeteilt: Erstens versage die EFSA bei der Bereitstellung von Daten und zweitens bei der Entwicklung von Methoden, um GVOs verlässlich prüfen zu können.
1. Einfach mal anders gemessen
Unter die Bereitstellung verlässlicher Daten fällt zum Beispiel, die Beurteilung der Giftigkeit von Bt-Toxinen, die als Insektengift in den Pflanzen produziert werden. Die EFSA akzeptiert hier die Ergebnisse von Untersuchungen mit Toxinen von Bakterien, obwohl es mehr als genug wissenschaftliche Beweise dafür gibt, dass Pflanzen Enzyme produzieren, welche die Giftigkeit der Toxine auf das 20-fache steigern können. Erste Studien dazu hat Monsanto bereits 1990 veröffentlicht – eine neue Erkenntnis ist das also nicht gerade.

2. Methoden fehlen
Auch bei der Entwicklung von Methoden enttäuscht die EFSA: Etwa, wenn es um die Nachkommen gentechnisch veränderter Pflanzen geht. Sollten diese mit wilden Artverwandten gekreuzt werden, kann es zu unerwarteten Effekten bekommen. Diese sogenannten “Next-Generation”-Effekte werden von der EFSA in ihrer Risikobewertung jedoch einfach nicht erfasst. Ebenfalls nachlässig ist die EFSA bei den Gesundheitsrisiken durch GVOs: So kann etwa der Verzehr einer Mischung aus BT-Toxinen und Glyphosaten zu einer Verarmung des Mikrobioms, also unserer Darmflora führten. Dies, so Wissenschaftler*innen, kann in weiterer Folge zum Beispiel schlechte Auswirkungen auf unser Immunsystem haben. Dennoch verlangt die EFSA keine Untersuchungen zu möglichen “Cocktail-Effekten” dieser toxischen Wirkstoffe.

Grüne Gentechnik? – Nein, danke!
Diesen April wird die Kommission erneut darüber entscheiden, ob GVOs, die mittels neuer Gentechnik – siehe Gene-Editing – entstehen, von der GVO-Richtlinie der EU auszunehmen sind. Dies geschieht auf Grundlage der Risikoeinschätzungen der EFSA! Aber wie soll eine Behörde, deren Risikobewertungen als wissenschaftlich mangelhaft eingestuft werden, eine derartige Einschätzung treffen können? Insofern muss die Studie von Testbiotech ein Aufwecker sein. Wir brauchen dringend vollumfassende Risikobewertungen, um die Gefahren der Grünen Gentechnik wirklich abschätzen zu können!

Ihr Wollt mehr wissen?
Link zur Presseaussendung von Testbiotech
Ein Überblick über die Ergebnisse des RAGES-Projekts.
Eine deutsche Zusammenfassung der Testbiotech-Studie.
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