Warum Biokohle keine „Klimaretterin“ ist

Die Aufregung rund um „Biochar“ als angebliches Wunderheilmittel für unsere Böden reißt nicht ab. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt. In diesem Blogbeitrag rücke ich den Mythos „Terra Preta“ ins rechte Licht.

Angefangen hat alles, wie so oft, mit einem Zeitungsartikel, der mich stutzig gemacht hat. Habt ihr schon von Carbon Farming gehört und der Mär‘, dass man nur die Wunderwaffe „Terra Preta“ in unsere Ackerböden einbuddeln muss, um der Erde Gutes zu tun? So klingt es zumindest in einem Bericht, den ich in der von mir geschätzten taz gelesen habe. Darin wird Biokohle als die Klimaretterin schlechthin dargestellt. Das konnte ich nicht so stehen lassen und habe gleich zur Feder (na gut, zur Tastatur) gegriffen, um diese Behauptungen gerade zu rücken. Unten findet ihr die Stellen aus dem Artikel, die es mit den Fakten nicht genau nehmen. Den ganzen Bericht „Die coolere Kohle“ gibt es hier zu lesen.

I. Erstens: Biochar ist ein ganz natürlicher Stoff

„Mittels sogenannter Pyrolyse können (…) Abfälle in Pflanzenkohle umgewandelt werden. Menschen praktizieren diese Verschwelung unter Sauerstoffabschluss seit Jahrtausenden in Meilern genannten Öfen, um Holzkohle herzustellen.“

Hier geht es mit den irreführenden Begrifflichkeiten schon los: Denn mit hochtechnisch hergestellter Biokohle wird ein Substrat erzeugt, das in seiner chemischen Zusammensetzung wenig Gemeinsamkeiten mit der natürlichen „Terra Preta“ hat. Diese menschengemachte „schwarze Erde“ im Amazonasgebiet erhöht die Bodenfruchtbarkeit und besteht aus Holzkohle, Dung, Kompost und Tonscherben – vor allem aber hat sie einen langen, natürlichen Humifizierungsprozess hinter sich. Für Biokohle müssen dagegen neben Reststoffen vermehrt wertvolle Rohstoffe, wie Holz oder Mais, dran glauben.1 Das ist, wie auch im taz-Artikel festgestellt wird, wenig zielführend und schon gar nicht natürlich.

1 https://www.marketwatch.com/press-release/biochar-market-size-and-growth-analysis-2021-details-for-business-development-driving-factors-top-players-latest-opportunities-till-2027-2021-12-17

II. Zweitens: Biochar ist eine Allzweckmittel für Bodengesundheit

„Pflanzenkohle führt im Schnitt zu 20 Prozent größeren Ernten, gesteigertem Bodenleben, mehr Wasserhaltefähigkeit und Humus – und ist damit wirksamer als jede „grüne Revolution.“

Ein paar Absätze weiter wird Biokohle als DAS Allheilmittel für unser kaputtes Landwirtschaftssystem präsentiert. Tatsächlich ist ihr Einsatz, vor allem in unserer gemäßigten Klimazone, aber nicht mehr als die symptomatische Behandlung von Problemen, die durch industrialisierte Landwirtschaft doch erst entstehen. Macht es da nicht deutlich mehr Sinn auf Praktiken zu setzen, die schon seit Jahrhunderten im heimischen Ackerbau eingesetzt werden? Wenn es um Humusaufbau geht, erzielen etwa eine ausgeglichene Fruchtfolge und das Einbringen von Festmist, Qualitätskompost oder Ernteresten erwiesenermaßen gute Ergebnisse. Zudem erfolgt 80 Prozent der Bodenbildung durch lebendige Wurzelbiomasse (besonders Feinwurzeln). Biokohle dagegen ist kein lebendiges Material und hilft somit weder dem Bodenleben noch der Bodengesundheit.

Das ist übrigens nicht das einzige Versprechen, das Biokohle nicht halten kann: Auch in punkto Ertragssteigerung sind ihre Vorteile noch nicht wissenschaftlich erwiesen. Denn Biokohle kann zwar auf nährstoffarmen, tropischen Böden zu besseren Ernten führen, doch große Meta-Analysen und auch Versuche der LfL in Bayern zeigen, dass die positiven Auswirkungen auf die Bodenökologie oder Ertrag in unseren Breitegraden eher gering sind.2

2 https://literatur.thuenen.de/digbib_extern/dn060523.pdf https://www.lfl.bayern.de/iab/boden/055677/index.php

III. Biochar kann die Klimakrise nachhaltig abschwächen

„Zu viel Kohlenstoff in der Atmosphäre, zu wenig in den Böden: beides Riesenprobleme, die Pflanzenkohle lösen kann.“

Auch hier wird einem technischen Hilfsmittelchen viel zu große Wirkung zugeschrieben. Denn in Bezug auf eine mögliche Abschwächung des Klimawandels ist sich die Wissenschaft längst nicht so sicher. Ganz im Gegenteil: Erste Studien weisen hier auf eine schnelle Zersetzung der Biokohle hin. Ob sich so langfristig Kohlenstoff speichern lässt, muss sich also erst zeigen.3

Als deutlich wirksamer haben sich auch hier Methoden erwiesen, die schon seit Jahrhunderten Bestand haben: Grünland speichert etwa bis zu 34 Prozent des weltweiten, auf dem Festland vorhandenen, organischen Kohlenstoffs4 und wesensgemäße Weidetierhaltung trägt dazu bei, dass das auch so bleibt. Mit nachhaltigen Tierhaltungssystemen lassen sich die CO2-Emissionen der Landwirtschaft sehr viel besser verringern als durch den Einsatz von Biokohle, die man somit wohl kaum als Klimaretterin bezeichnen kann.

3 https://www.lfl.bayern.de/iab/boden/055677/index.php 
4 White, R.P., Murray, S., Rohweder, M., (2000): Pilot analysis of global ecosystems – Grassland ecosystems. World Resources Institute, Washington D.C

IV. Die Herstellung von Biochar ist sauber und sicher

„Anders als frühere Meiler arbeiten moderne Pyrolyseanlagen sicher, sauber und klimaneutral.“

Klingt doch gut, oder? Tatsache ist aber, dass die Herstellung von Biokohle trotzdem ein potenzielles Schadstoffrisiko birgt. Denn bei der Pyrolyse entstehen, unabhängig vom Ausgangsmaterial, polyzyklisch-aromatische Kohlenwasserstoffe. Werden diese in den Boden eingebracht, können sie die Bodengesundheit gefährden, was den großen Hype rund um „Biochar“ als Retterin unserer Böden nur noch paradoxer macht.5

5https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/texte_04_2016_chancen_und_risiken_des_einsatzes_von_biokohle.pdf 

Ihr seht, in diesem Artikel werden in punkto Biokohle gleich einige Informationen in den Umlauf gebracht, die so einfach nicht korrekt sind oder zumindest in der Wissenschaft noch kontrovers diskutiert werden. Klar ist: Im großen Stil ist Biokohle bestimmt nicht dazu geeignet, den Klimawandel zu stoppen oder jenen lebendigen Humus wieder aufzubauen, den wir in den vergangenen Jahrzehnten mit industriellen Technologien verloren haben. Das hat nichts mit der dringend notwendigen Revolution unseres Ernährungssystems zu tun, für die ich mich einsetze – und bis diese Tatsache überall angekommen ist, werde ich wohl noch öfter in die Tasten hauen und die Dinge klarstellen müssen.

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